Immobilienwirtschaft in der Krise? – Welche Tugenden und Partnerschaften jetzt neue Chancen bringen.

Welche Tugenden und Partnerschaften jetzt neue Chancen bringen

Deniz Per

Am 7. Dezember lud die Türkisch-Deutsche Industrie und Handelskammer gemeinsam mit der per invest zum allerersten Mal überhaupt zur gemeinsamen „tea-time“ einem neuen Branchen- und Regionaltreffen ein. Bei der Veranstaltung steuerte ich einen Impulsbeitrag bei, bei dem ich auf die zuletzt trübe Stimmung in der Immobilienwirtschaft einging, jedoch auch Lösungspotenziale aufzeigte, die Mut machen. Insbesondere eine Nische der Zusammenarbeit könnte dabei vielversprechend sein. 

Die deutsche Immobilienbranche steht vor einer herausfordernde Situation, die von einem drastischen Rückgang der Transaktionen sowie einem stagnierenden Neubau geprägt ist. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zu einem stetig wachsenden Bedarf an Wohnraum und führt zu einer kumulierten Neubaulücke von bis zu fehlenden 800.000 Wohnungen im Jahr 2026, die trotz des erklärten Ziels der Bundesregierung im Wohnungsbau von jährlich 400.000 Wohnungen nicht geschlossen wird. Neben gestiegenen Kosten für Material und Personal auf der Angebotsseite, drücken gestiegene Zinsen und damit Finanzierungskosten kurzfristig auch die Nachfrage nach unten, was den Mark in die Knie zwingt. Einer der Hauptgründe für das Versagen des Bauwesen beim Stillen des Bedarfes ist jedoch hausgemacht: In den langwierigen Genehmigungsverfahren für Bauanträge, die zu Verzögerungen und einem Stillstand bei Bauprojekten führen (Quelle: ifo Institut).

Die Auswirkungen auf die Wirtschaft und Gesellschaft sind weitreichend und deutlich spürbar. Die geringe Neubautätigkeit hat nicht nur zu einem Investitionsstau geführt, sondern auch zur Insolvenz mehrerer Bauunternehmen beigetragen. Diese Insolvenzen haben einen Dominoeffekt auf Zulieferer und Beschäftigte in der Bauindustrie, was letztlich zu einem Rückgang der Bauaktivitäten und zu Engpässen führt (Quelle: Destatis).

Neben diesen internen Problemen sind externe Faktoren wie steigende Finanzierungskosten und die allgemeine Inflation zu berücksichtigen, die die Kaufkraft der Privathaushalte erheblich schmälern. Dies hat zu einem spürbaren Nachfrageeinbruch bei Wohn- und Anlageimmobilien geführt, der die Branche weiter schwächt (Quelle: Statista). Diese Herausforderungen verschärfen die ohnehin bestehende Wohnungsknappheit und stellen ein erhebliches gesellschaftliches Risiko dar, da bezahlbarer Wohnraum zunehmend knapper wird (Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung).

Die hohen Baukosten stellen einen bedeutenden Faktor dar, der durch die Erhöhung der Zinsen weiter verstärkt wird. Die Suche nach Lösungen liegt in kreativen und innovativen Ansätzen sowie in internationalen Partnerschaften. Eine vielversprechende Möglichkeit besteht darin, von anderen Ländern zu lernen und internationale Investoren und Partner ins Boot zu holen. Diese Zusammenarbeit könnte Kostenvorteile mit sich bringen, insbesondere bei Planungs- und Baukosten, und dazu beitragen, bisher ungenutzte Synergien zu nutzen.

In diesem Kontext bietet die deutsch-türkische Zusammenarbeit ein beträchtliches Potenzial. Beide Länder verfügen über Expertise und Ressourcen, die durch eine partnerschaftliche Herangehensweise besser genutzt werden können. Während in der Vergangenheit viele deutsche Firmen an Infrastrukturprojekten in der Türkei beteiligt waren, hat sich nunmehr die türkische Bauwirtschaft zu einem richtigen Exportschlager entwickelt. Im eurasischen Raum, dem Balkan oder den Golf ist der Marktanteil an türkischen Firmen sehr hoch und auch in Zentraleuropa gibt es einige prestigeträchtige Projekte mit türkischer Beteiligung, etwa bei Stuttgart 21 oder Camp Nou Stadion in Barcelona. Erfahrungen mit einer hohen Projektfrequenz und straffen Zeitplänen sind entscheidende Qualitäten, die der hiesigen Branche durch die komfortable Konjunktur der letzten Jahre etwas abhanden gekommen sind. Deshalb ermöglicht das Zusammentreffen beider Branchen es, gemeinsame Antworten auf drängende Herausforderungen zu finden. Die Offenheit für innovative Ansätze und die Bereitschaft, ungenutzte Potenziale zu erkennen und zu nutzen, schaffen Möglichkeiten für eine vielversprechende gemeinsame Zukunft.

Die aktuelle Zeit und die gegebenen Rahmenbedingungen bieten eine ideale Plattform, um diese Partnerschaften zu vertiefen und neue Wege zu beschreiten. Es ist an der Zeit, über traditionelle Grenzen hinweg zu denken und das kreative Potenzial zu nutzen, das in der Zusammenarbeit liegt. Beginnend bei der Planung, bei der in Zukunft ganzheitliches Denken in Quartieren für vielfältige statt einseitige Nutzung erfordert, bis hin zu gut organisiertem Simultaneous Engineering im Projektmanagement und Disziplin in der Ausführung darf sich die Branche nicht mehr erlauben Scheuklappen aufzusetzen und nur vom bisher Bewährten abzuschauen.

Innovation, Kreativität und die Bereitschaft von der Resilienz, der Flexibilität und Dynamik von internationalen Partnern zu lernen und gemeinsam zu handeln, sind entscheidend, um die aktuelle Krise zu bewältigen.

Ironischerweise sind diese Ansätze keineswegs ein Bruch mit bewährten Tugenden. Ganz im Gegenteil, es sind die Tugenden, die schon in der Gründerzeit oder während dem Wiederaufbau einer unglaublichen städtischer Entwicklung in Deutschland den Weg ebneten. Es ist daher Zeit sich wieder auf diese altbewährten Tugenden zurückzubesinnen und dabei sogar noch neue Mitstreiter zu gewinnen.

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